Vor jeder Reise überlege ich mir, wie ich die Reise nutzen kann, um zu lernen und mich persönlich weiterzuentwickeln. So war es auch vor meinem Aufenthalt in Kolumbien. Ich habe im letzten Jahr für vier Monate in Medellín gelebt, um das Leben als digitaler Nomade auszuprobieren. Ich wollte schon länger an einem Meditationsretreat teilnehmen und habe auf BookRetreats nach passenden Optionen in Kolumbien gesucht. Die Auswahl war natürlich etwas kleiner als in Südostasien. Es gab nur ein einziges Retreat in der Nähe von Medellín: La Casa de Loto.
Aufgrund der guten Bewertungen und der Lage in den Bergen entschied ich mich dort ein einwöchiges Retreat zu buchen. Das Retreat befindet sich in El Carmen de Viboral, welches sich ungefähr 80 Minuten Autofahrt von Medellín und 45 Minuten Autofahrt von dem Flughafen Rionegro befindet.
Die meisten Menschen ziehen ein Meditationsretreat gar nicht erst in Betracht, weil sie keine konkrete Vorstellung davon haben, wie diese ablaufen und welche Unterschiede es gibt. Das ist schade, weil die Erfahrung sehr bereichernd sein kann. Reisen gibt dir die kostbare Gelegenheit aus dem Alltag auszubrechen und zur Ruhe zu kommen. Retreats sind dafür perfekt geeignet. Ich hoffe, dass du durch meinen Erfahrungsbericht eine bessere Vorstellung von Retreats bekommst.
Buchung
Ein Gemeinschaftszimmer in La Casa de Loto kostet ca. 400 € und ein Einzelzimmer kostet knapp 600 € pro Woche. In dem Preis ist die Verpflegung und das gesamte Programm inbegriffen.

Sonntag (Tag 1)
Ich bin nachmittags angekommen und wurde von Pema, dem deutschen Gründer des Retreats empfangen. Pema hat eine sehr bewegte Lebensgeschichte, die ihn dazu gebracht hat sein Leben als DJ in Berlin aufzugeben, um für zwei Jahre in einem tibetanischen Kloster zu leben. Nach dem Aufenthalt in Tibet hat er sich in Kolumbien ein Jahr lang als Meditations- und Yogalehrer weitergebildet und danach La Casa de Loto gegründet. Er machte mit seiner ausgeglichenen Art sofort einen sympathischen Eindruck auf mich und ich wusste, dass ich für das Retreat in guten Händen bin. Wir sind in das Wohnzimmer der Finca gegangen, wo bereits mehrere Gäste saßen. Die Gäste haben sich miteinander unterhalten, da das Redeverbot erst am Abend begonnen hat. Unsere Gruppe bestand aus 7 Gästen, einer Yogalehrerin und Pema. Ich habe mir mein Zimmer mit zwei weiteren Mittzwanzigern geteilt.
Auf der Finca ist mir sofort die saubere Luft und die Ruhe im Vergleich zu Medellín aufgefallen. Die Stille wurde nur gelegentlich von dem Ruf eines Esels unterbrochen. El Carmen de Viboral liegt etwas höher als Medellín, weshalb es dort etwas kühler ist. Im Gegensatz zu Medellín habe ich einen Pullover statt ein T-Shirt getragen.
Abends sind wir für die Einführung und die erste geführte Meditation zum Dojo gegangen. Das Dojo befindet sich am unteren Ende des Tales. Der tägliche Gang zum Dojo war ein sehr angenehmes Ritual für mich. In der Einführung hat Pema den Tagesablauf erklärt und alle Fragen beantwortet. Er hat uns empfohlen bei jeder Meditation abhängig von unserem Erfahrungslevel zwischen 24 und 48 Minuten zu meditieren. Ich habe mich als Anfänger für 24 Minuten entschieden.

Montag bis Mittwoch (Tag 2, 3, 4)
Wir haben uns von Montag bis Mittwoch an den Tagesplan gehalten. Jeder Tag ging von 6 Uhr morgens bis 22 Uhr. Das Programm bestand aus Hatha Yoga am Morgen und mehreren Meditationen über den gesamten Tag verteilt:
6:00 | Meditation in Stille |
7:00 | Frühstück |
8:00 | Gehmeditation |
9:00 | Yoga Klasse |
11:00 | Meditation in Stille |
12:00 | Mittagessen |
14:00 | Gehmeditation |
15:00 | Meditation in Stille |
16:00 | Gehmeditation |
17:00 | Geführte Meditation |
18:00 | Fragen und Antworten |
19:00 | Abendessen |
20:00 | Gehmeditation |
22:00 | Nachtruhe |
Wir haben den Großteil der Tage alleine verbracht, obwohl wir zusammen gelebt haben. Die Meditationen in Stille und die Gehmeditationen lagen in unserer eigenen Verantwortung. Wir konnten selber entscheiden, wo wir am liebsten meditieren. Ich habe morgens und abends in meinem Zimmer meditiert und tagsüber in dem Dojo. Andere Gäste haben im Wohnzimmer, der Terrasse und in dem Garten meditiert. Die Yoga Klassen, die geführten Meditationen und die Mahlzeiten waren die einzigen Gruppenaktivitäten. Während der Yoga Klasse und der geführten Meditation konnten wir Fragen zu stellen. Unsere Yogalehrerin kam aus Spanien und hat für mehrere Wochen an einem Residenzprogramm in La Casa de Loto teilgenommen. Jetzt gibt es anscheinend eine feste Yogalehrerin.

Donnerstag (Tag 5)
Der Donnerstag ist dafür vorgesehen die Meditationspraxis weiter zu vertiefen. Deshalb hat Pema von Spaziergängen und dem Lesen von Büchern abgeraten, um Stimuli zu reduzieren und Introspektion zu fördern. Wir wurden dazu angehalten ohne festen Zeiten und ohne Timer zu meditieren. Ich habe den Tag ohne Struktur sehr genossen, da ich meine Checklisten Mentalität aus dem Alltag ablegen konnte. Dadurch war ich den ganzen Tag über sehr präsent.
Freitag (Tag 6)
Am Freitag haben wir uns wieder an den üblichen Tagesplan gehalten. Meine Klarheit vom Donnerstag hat sich auf den Freitag übertragen und ich habe mich überragend gefühlt. Wir konnten als Zusatzangebot unterschiedliche Massagen buchen. Ich habe eine Ayurveda Massage gebucht. Der Masseur Carlos ist extra aus Medellín gekommen. Die Massage war sehr angenehm und am Ende hat er mir kurz meinen ayurvedischen Körpertyp erklärt. Die Ayurveda Massage kostet $60 und ist sehr zu empfehlen. Die Qualität der anderen Massagen kann ich nicht beurteilen.
Nach der geführten Meditation hat Pema die Stille aufgehoben und ich war von dem abrupten Ende etwas überwältigt. Die Meisten schienen froh endlich wieder Reden zu können und fingen an sich angeregt zu unterhalten. Abends habe ich die anderen Gäste besser kennengelernt und wir haben uns über unsere Erfahrungen ausgetauscht. Die anderen Gäste waren sehr sympathisch und ich glaube, dass Menschen, die ein Retreat besuchen, tendenziell offener sind.
Samstag (Tag 7)
Morgens hat Pema eine letzte Meditation durchgeführt und nach dem Mittagessen war das Retreat beendet. Ich habe das Retreat mit einem starken Gefühl innerer Ruhe verlassen. Nach der Woche in Stille waren der Lärm und die Luftverschmutzung in Medellín im ersten Moment etwas überwältigend.

Meine Erfahrung in La Casa de Loto
Mir hat die ruhige Atmosphäre auf dem Land sehr gut gefallen. Die Natur und die Tiere haben eine beruhigende Wirkung auf den Geist. Durch die kleine Gruppengröße war das Retreat sehr intim und persönlich. Ein weiterer Aspekt, der mir gefallen hat, war die Eigenverantwortung. Wir haben zwar einen Rahmen vorgegeben bekommen, aber jeder konnte seinem eigenen Rhythmus folgen. Abgesehen von der geführten Meditation werden alle Meditationen alleine durchgeführt. Dadurch konnte jeder selber entscheiden wie lange und wo er meditieren möchte. Einige Gäste haben alle Meditationen gewissenhaft ausgeführt und andere Gäste haben vereinzelt Meditationen ausfallen lassen.
Mir ist aufgefallen, dass ich im Laufe der Woche mit jedem Tag langsamer geworden bin. Mein Geist ist zur Ruhe gekommen, sodass ich selten abgelenkt war. Wenn ich gedanklich abgeschweift bin, habe ich dies sehr schnell bemerkt und mich wieder auf das Hier und Jetzt fokussiert. Ich habe in meinem Leben noch nie so eine starke mentale Klarheit empfunden wie in dieser Woche. Der Effekt wäre wahrscheinlich noch größer gewesen, wenn ich noch länger geblieben wäre. Nicht nur mein Geist, sondern auch meine Bewegungen sind langsamer geworden. Bei den Gehmeditationen wurde dies besonders deutlich.
Mein persönliches Highlight waren die kurzen buddhistischen Vorträge von Pema. Er folgt in erster Linie der tibetischen Lehre. In jedem Vortrag hat er ein buddhistisches Konzept erklärt und Fragen dazu beantwortet. Dabei hat er großen Wert darauf gelegt, wie wir Achtsamkeit in den Alltag integrieren können. Durch die Vorträge konnte ich abstrakte Konzepte wie Dankbarkeit und Vergebung besser verinnerlichen und sofort umsetzen. Nach den Vorträgen ist Pema im Dojo geblieben, um persönliche Fragen zu beantworten. Bei den Vorträgen und meinen Gesprächen mit Pema habe ich gemerkt, dass ihm das Wohlergehen der Gäste wirklich am Herzen liegt. Seine authentische und direkte Art fand ich sehr angenehm.

Fazit
Unsere Gruppe bestand aus Meditations Anfängern, aber ich glaube, dass das Retreat sich auch gut für Fortgeschrittene eignet. Das Retreat hat mir in meinem persönlichen Wachstum sehr geholfen und einen tiefen Eindruck bei mir hinterlassen. Deshalb glaube ich, dass Retreats eine gute Möglichkeit sind, um die eigenen Reisen zu bereichern. Meiner Meinung nach ist es schlauer sich langsam heranzutasten und nicht direkt mit einem strengen Vipassana oder Zen Retreat zu starten. Viele Backpacker starten mit einem 10-tägigen Vipassana Retreat und brechen dies wegen der hohen Intensität wieder ab oder sind danach erstmal ausgebrannt.
Bei der Auswahl eines Meditationsretreats sind die eigenen Vorkenntnisse, das Programm, die spirituelle Leitung und das Umfeld meiner Meinung die wichtigsten Faktoren. Es gibt mehrere Buchungsplattformen wie BookRetreats auf denen du weltweite Retreats miteinander vergleichen kannst.
PS: Ich habe eine Anleitung fürs Meditieren lernen geschrieben.
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